Harpers Ferry, WV

Zug nach Washington

TAG 77: 04/29/15, 6:56 AM
DAS HOSTEL,  DAS KEINES WAR
Wegen der Kälte und mangels ausreichenden Schutz vor derselben wollten wir zwei Nächte in Front Royal verbringen, um uns ggf kältetechnisch upzugraden. Leider war Lisas und Scotts Hostel ausgebucht, sie versprachen uns jedoch eine Alternative: Sharon. Diese sollte uns spätestens um 18:00 Uhr abholen, vergaß dies aber. Während wir, Entschuldigungen murmelnd,  vollends warm bekleidet im Ferienhaus warteten, während die Feriengäste schon ihre Koffer ein- und auspackten, entfuhr Sharon „I screwed that up!“ am Hörer. Nachdem wir dann schließlich spät in Sharons Haus ankamen, machte der leichte Unmut übermäßiger Begeisterung Platz: Wir waren im Paradies! Traumhaft gelegen, boten Sharon und ihr z.Zt. abwesender Mann ein Zimmer in ihrem Haus kostenlos Hikern an. Ausgestattet mit Dusche, Fernseher, Couch etc. war es außerdem sauberer als viele andere Hostels, die wir gesehen hatten. Sharon entpuppte sich als liebenswerte, weit gereiste, leicht chaotische, ältere Dame, die nebenbei einen Shuttleservice organisierte und ihre Schlafgelegenheit nur nach Lust und Laune offerierte. Obwohl sie ihre Gäste eigentlich nicht mehr bekochte, weswegen wie uns zuvor mit allerlei Lebensmitteln eingedeckt hatten, setzte sie uns von selbstgekochter Suppe bis Apfelkuchen stets weiteres Essen vor – das Frühstück war da nur eine selbstverständliche Nebensächlichkeit. Ihr Mann war im Übrigen nicht nur Vorsitzender des PATC gewesen, welcher einer der zahlreichen und größten Lokalwanderclubs ist, sondern auch ein höheres Tier bei der Airforce. Sharon erzählte uns unterhaltsam und begeistert von ihrem Leben in der Türkei, Deutschland und Japan, wohin sie ihren Mann begleitet hatte. Ihr Haus bzw. ihre Villa war japanisch eingerichtet, alles gespickt mit Andenken von ihren Reisen. Schweren Herzens verließen wir ihr Haus am nächsten Tag und machten uns schwankend unter unseren prall gefüllten Rucksäcken und unter dem Einfluss eines dritten „Essenskomas“ innerhalb einer Woche (hatten wir bei Sharon quasi durchgegessen!) auf den Weg zum übernächsten Shelter in ca. 11 Meilen. Dort wurde uns von einem Sectionhiker die Möglichkeit nahe gelegt, von Harpers Ferry aus den Pendlerzug zu nehmen und nach Washington zu fahren. Warum eigentlich nicht?

Doch vor dem Großstadtdschungel sollten noch zwei harte Tage im richtigen auf uns warten. Der sogenannte „Rollercoaster“ konnte uns steigungsmäßig nur ein müdes Lächeln abringen, malträtierte jedoch unsere Knie und Fußsohlen. Dabei überquerten wir noch kurz vor Harpers Ferry mit West Virginia („Wild, Wonderful“) unsere vierte Staatengrenze, John Denvers Zeilen noch im Ohre klingend. West Virginia wird ein kurzes Zwischenspiel bleiben, denn direkt hinter Harpers Ferry winkt schon Maryland.

Zug nach Harpers Ferry

SELBIGER: 6:29 PM
WAS HINKT DENN
Man gewöhnt sich zwar schnell ans Wandern, kommt aber auch mindestens genauso schnell wieder raus. Im sonnigen D.C., zwischen lärmenden Autos, flanierenden Passanten und duftenden Hot Dog-Ständen wirkte der Trail weit mehr als noch nicht mal 24 Stunden entfernt. Den Pendlerzug von Harpers Ferry aus zu nehmen ist nicht die schlechteste Möglichkeit sich ein Bild vom Regierungssitz der USA zu machen. Für relativ kleines Geld erspart man sich den Stress von Parkplatz und Stau, ist dafür aber an strikte Zeiten gekoppelt. Mit 18:20 haben wir jetzt den letzten Zug erwischt, sind nach rund zehn Stunden hartem Asphalt aber mindestens so müde wie an einem üblichen Wandertag. Dank Wanderhose, Crocs und allgemeiner Erscheinung fühlten wir uns ein wenig underdressed, denn wenn New York Köln ist, wäre Washington Düsseldorf. An jeder Ecke prahlen nicht nur Monumente von ehemaligen Präsidenten sondern auch pathetische Regierungsbauten im Stile des alten Rom. Absolute empfehlenswert ist „Smithsonian“, ein Gebiet mit verschiedenen Sehenswürdigkeiten und Museen im Herzen Washingtons – und eintrittsfrei. Da die Museen erst ab 10 Uhr ihre Pforten öffneten, arbeiteten wir zuvor die Monumente und Gebäude ab: Capitol, Washington-Monument und Lincoln-Memorial, anbei der Platz, wo Martin Luther King seine berühmte Rede hielt, und natürlich das Weiße Haus. Da man alleine für die Museen zwei volle Tage veranschlagen müsste, sahen wir nur Ausschnitte aus der Art Gallery, dem Luftfahrtmuseum, jenem für Indianische Geschichte und dem vergleichsweise kleinen Botanischen Garten. Optisch untermalt wurde unser Sightseeing- Hike  von den vielen blühenden Bäumen und Blumen oder frisch ergrünten Bäumen. Hier war der Frühling schon deutlich aktiver gewesen.

Morgen steht unsere Registrierung beim ATC an, ein Date mit dem Outfitter und die Rückgabe der geliehenen Decken und das Weiterschicken unserer Maildrop. Wir hoffen trotzdem, noch vor den angekündigten Gewittern das 11 Meilen entfernte Shelter zu erreichen.

Front Royal, VA

Front Royal, VA

TAG 73: 04/25/15
DER APRIL, DER APRIL
Waynesboro überraschte uns nicht nur mit dem besten, chinesischen Buffet, welches wir sowohl in Deutschland als auch den USA bisher hatten, sondern auch mit einem sehr persönlichenund sauberen Hostel, welches von dem ehemaligen Thruhiker Adam “Stanimal” Stanley geführt wird. Dort verbrachten wir eine angenehme Nacht mit einem Teil unserer Hikerfamilie und wollten nach dem Pancakefrühstück am nächsten Morgen mit Blick aus dem Fenster gar nicht mehr starten, dort türmten sich nämlich schon die Wolken für das ab Nachmittag angekündigte Gewitter. Da uns noch das Verschicken und Abholen von Paketen erwartete und wir nicht planten, vor mittags los zu kommen, kam uns das nicht gerade entgegen. In einem der vielen Pakete befinden sich nun auch unsere großen und schweren Winterschlafsäcke, die wir nach Hanover, NH geschickt haben und gegen leichtere aus Deutschland getauscht haben – womöglich zu früh, denn schon in der ersten Nacht wurden wir eiskalt überrascht, abgesehen von den Blitzen, die lautstark links und rechts vom Shelter einschlugen und zusammen mit dem heftigen Regen ein schauriges Orchester bildeten. Da der nächste Tag weitaus freundlicher startete, als der letzte zuende ging, nahmen wir uns die bisher größte Tagestour vor und hatten uns überhaupt nicht auf ein erneutes Stelldichein mit Waynesboro eingestellt. Dieses wurde allerdings nötig, da sich die Vernietung eines Schultergurts am Rucksack löste und er so untragbar wurde. Glück im Unglück, denn im Shenandoah befindet man sich stets in Rufweite der Panoramastraße, die, mal mehr, mal weniger, aber immer wieder Autos führt. Nach recht kurzem Roadwalk fanden wir so einen willigen Touristen aus der Umgebung, der zufälligerweise zum Waynesboro’schen Outfitter unterwegs war. Nachdem der Schaden repariert und das Chinabuffet erneut geplündert wurde – wir konnten der Versuchung nicht widerstehen – brachte uns Adam noch am gleichen Abend zurück auf den Trail, samt Entdeckung eines Schwarzbärenjunges am dunklen Straßenrand. Auch diese Nacht sollte wie die folgende trotz schützender Zeltwand nicht merklich wärmer werden, weswegen wir Donnerstag uns fast entschieden, den Trail absichtlich zu verlassen. Der Shenandoah National Park ist selbstverständlich auch touristisch soweit erschlossen, dass es in Straßen- und somit Trailnähe Imbisse und Visitor Centers gibt, die Menschen anlocken – gute Chancen also, eine Fahrt in die nächste Stadt mit Motel und dem Verkauf von wärmeren Schlafsäcken zu ergattern. Die erste angesprochene Frau konnte uns zwar nicht fahren, drückte uns allerdings vollkommen kostenfrei zwei wärmere Schlafsäcke in die Hand, die sie im Kofferraum ihres Wagens mitführte. So wurde die darauf folgende Nacht wenigstens etwas komfortabler, auch wenn uns vor allem der Wind zu schaffen machte. Beteuerungen von Einheimischen à la „total ungewöhnlich für diese Jahreszeit „ und „letztes Jahr war es wärmer“ halfen uns da auch nicht mehr viel…

Kurzerhand entschlossen wir uns am nächsten Tag den National Park so schnell wie möglich mit dem Ziel eines Hiker-B&B zu verlassen, was uns nach dem Anhalten von vier verschiedenen Autos auch gelang. So kam schlussendlich der heutige Zerotag in Front Royal, VA zustande, der wie immer Resupply und Emails gewidmet ist. Die „Mountain Home Cabbin“ liegt im Schatten einer klassizistischen Villa, die die Betreiber Lisa und Scott zu einem richtigen Bed and Breakfast renovieren wollen. Die Führung durch ihr Projekt ließ nicht nur auf weitere drei Jahre Arbeit mit viel Herzblut schließen, sondern ließ in unserer Phantasie auch das Bild eines gemütlichen B&B entstehen.

Zwar bewahrte uns das großzügige Schlafsackgeschenk vor einem grausamen Frosttod, groß und schwer sind sie jedoch wieder – also genau das, was wir eigentlich loswerden wollten. So, wie es scheint, bleibt es in den kommenden Nächten noch kalt, doch mit einer von Lisa und Scott geliehenen Decke dürften wir durchkommen – kurz vor der 1000-Meilen-Marke und der ideellen Hälfte in Harpers Ferry machen wir doch nicht schlapp.

Waynesboro, VA

Paul C. Wolfe Shelter

856,6 MI
TAG 66: 04/18/15, 9:19 PM
FLACHWITZ
Irgendwer scheint uns da ziemlich auf den Arm genommen zz haben, als er behauptete, Virginia sei flach – die Aufstiege der letzten Tage waren nämlich brutal schwer und gleichten Smokies-Niveau. Das Wetter hat auch nur bedingt mitgespielt, nach dem heftigen Regen am Dienstag, der uns verfrüht in das Dorf Glasgow zwang, blieb der Rest der Woche überwiegend sonnig und drückend warm – nicht gerade das was wir gebrauchen konnten, wenn wir Höhenunterschiede von über 2000 Fuß überwanden. Doch genug der Beschwerde, der Regen hatte auch sein Gutes: Statt erst am nächsten Morgen erreichten wir Glasgow schon am Nachmittag, verfrachteten sämtliche Kleidungsstücke vom Körper in den Trockner und machten es uns in dem städtischen Shelter am Waldrand wohnlich. Dort fanden wir sogar Bunkbeds, etliche Steckdosen, brauchbare Essensreste von Vormietern … all das also, wofür wir in einem Hostel ansonsten gutes Geld lassen. Den Abend ließen wir nach getanem Resupply gemütlich bei Pizza und Spaghetti ausklingen, während der Regen leise an die Scheiben klopfte und uns fast den dritten Zero aus den Knochen leierte…

Mehr oder minder gut ausgeruht – in der Nähe verliefen natürlich wieder Bahngleise und jeder durchfahrender Zug kündigt sich lautstark an – konnten wir in einem, sagen wir, „abenteuerlichen“ Pickup eine Fahrt zurück zum Trail ergattern und so schleppten wir uns die zehn Meilen zum Shelter. Nach einem Supermarktbesuch wiegen unsere Rucksäcke gefühlt das Doppelte als kurz vor einem solchen, dennoch fiel uns das Fehlen der Erdnussbutter leider noch nicht auf. Wir sollten erst später bemerken, dass wir sie vermutlich an der Kasse in einer der drölfzig Plastiktüten vergessen haben.

Ungerührt dessen machten wir größtenteils gute Meilen und warfen dadurch erneut unsere Planung durcheinander. Statt morgen Nachmittag sind wir so schon morgen vormittag in Waynesboro, VA und können ganz gemütlich zum AYCE-Chinesen flanieren – vielleicht treffen wir dort sogar andere Thruhiker, mit denen wir uns dort lose verabredet haben. Doch nicht nur übermäßige Völlerei winkt in der Stadt sondern auch der Wechsel unserer schweren und riesigen Winterschlafsäcke zum sommerlichen Pendant. Obwohl sie uns treue Dienst geleistet haben, freuen wir uns, mit ein paar Pfunden weniger auf dem Rücken, dafür vielleicht auf den Rippen, durch Shenandoah zu wandern. Angeblich soll das einfacher und flacher werden, falls das nicht auch wieder ein Witz war.

Glasgow, VA (784,6 Meilen)

Cornelius Creek Shelter

764,7 MI
TAG 61: 04/13/15, 7:14 PM
Erholt, aber nicht so überladen wie sonst nach einem Stadtbesuch (Erdnussbutter, Sandwiches, Kartoffelpürree etc.) und bei warmen, aber nicht schwülem, also nahezu perfektem Wetter machten wir uns auf den Weg nach dem ca. 20 Meilen entfernten Daleville/Troutville. Hier wollten wir unsere Vorräte auffüllen, nicht nur, weil die beiden Orte quasi am Trail liegen, sondern weil der Tankstellensupermarkt in Catawba die einzige und leider sehr teure Möglichkeit war. Der Weg dorthin führte uns über McAfee-Knob, einem der bekanntesten Aussichtspunkte auf dem Trail. Zum Glück erreichten wir ihn schon am Vormittag, sodass wir nicht allzulange darauf warten mussten, auf DEM Felsen, auf dem sich fast JEDER Thruhiker und Tourist fotografieren lässt, abgelichtet zu werden. Dies übernahmen die beiden netten Sectionhiker  “Sparky” und “Balu”. Die Bilder sehen nicht nur spektakulär aus, sie stellen für Höhenangstgeplagte auch eine echte Herausforderung dar.

Überhaupt punktete der heutige Streckenabschnitt in allen Bereichen (außer der Länge!) und bekam von uns 10 von 10 möglichen Piunkten in Ausichten, Wetter, Untergrund, Höhenprofil und Landschaft. Trotzdem erreichten wir Dalevile erst am frühen Abend, denn Fotos und Frühstück am McAfee Knob hatten zusätzlich Zeit gekostet. Der Zugang zum Internet stellte sich mal wieder als schwierig dar – “Wendys” hatte zwar leckerere “Baconburger” als die Konkurrenz mit dem schottischen Namen, hat aber leider keinen Internetzugang. Erst am nächsten Morgen konnten wir kurz Kontakt mit unserem “Basecamp” aufnehmen. Zuvor erledigten wir noch schnell unsere Einkäufe und wurden dann von einem netten und sehr kommunikativen Einwohner, ddr uns im Supernmarkt angequatscht hatte, zum etwas außerhalb gelegenen “Town Park” in Troutville gebracht. Dort gab es nicht nur die Môglichkeit zum kostenlosen Zelten, sonbdern auch einen Unterstabd miut Licht unbd Steckdosen sowie einer warmen und sauberen Toilette, auch zum Washen geeignet. Der Zug, der nachts gefühlt durchs Zelt fuhr und gefühlt  über mehr als hundert Wagen bestand, schmälerte den Genuss zwar, konnte uns aber grundsätzlich nicht dauerhaft unseren Schlaf rauben.

Catawba, VA (702 Meilen)

Four Pines Hostel

702,0 MI
TAG 59: 04/10/15, 7:12 PM
SAARBRÜCKEN
Zwar freuen wir uns alle paar Tage tierisch, der Vieles abverlangenden Wildnis in die Zivilisation entfliehen zu können, aber irgendwo ist auch genügend. Pearisburg ist einer der Orte, die nicht direkt am Trail, doch nur einige Meilen davon entfernt liegen. Dementsprechend muss man nicht versuchen, das Gesetz in Virginia durch Hitchhiken zu brechen, sondern kann einfach hineinwandern. Dafür ist der Ort, wie üblich in Amerika, sehr weitläufig. Unsere erwählte Übernachtungsstätte lag zudem am anderen Ende der Stadt, den gleichen Weg mussten wir Montag also wieder zurückgehen. Nach anfänglich gutem, fast heißem Wetter und drückender Luft zeichnete sich die kommende Verschlechterung schon deutlich ab. Das abendliche Tropfen wurde zu handfestem Regen in der Nacht, der sich auch am nächsten Morgen noch hielt. Das Einpacken des Zeltes wurde so zur Herausforderung, da man sich kaum bewegen konnte, ohne die nasse Zelthaut zu berühren – dies erlebten wir allerdings auch schon bei trockenem Wetter.

Letztendlich hatten wir Dienstag noch ziemlich Glück mit dem Wetter, denn erst am folgenden Tag hatten wir unsere erste Begegnung mit ausgewachsenen Gewittern hier in den Staaten. Wettertechnisch betrachtet eine Abwechslung zu Schnee, Eis und durchdringendem Wind, doch wenn man genau dann auf dem höchsten Punkt der Tagesetappe ist, wenn rosafarbene Blitze und ohrenbetäubender Donner dicht aufeinander folgen, sehnt man sich nach dem schützenden Holzverschlag, das sich Shelter schimpft. Dort kamen wir an, als es quasi vorbei war. Wenigstens bot sich uns genügend Platz, unsere tropfenden Klamotten aufzuhängen und unser Abendessen unter dem Dach zuzubereiten. Das war dann der romantischere Teil des Wetters. Fast gemütlich.

Am Vormittag konnten wir noch die älteste und höchste Eiche der Südstaaten bewundern, nur in New York soll eine noch größer sein.
Da wir uns wenige Tage zuvor noch nachmittags entschieden hatten, doch noch die 9 Meilen zum nächsten Shelter zu bewältigen, kamen wir schon einen Tag früher als geplant  in Catawba und dem Four Pines Hostel an. Besitzer Joe Mitchell bietet dort seine umfunktionierte Garage Hikern gegen eine kleine Spende an, inklusive voller Küchenausstattung und Enteneier vom eigenen Hof. Zwar gilt es wieder, sich mit Katzen und ihren Hinterlassenschaften zu arrangieren, doch insgesamt wirkt der mit Sofas und Feldbetten ausgestattete Bungalow sauber und grundgemütlich. Berühmt in Catawba ist auch The Homeplace Restaurant, welches für 15 Dollar pro hungrigem Mund typisch Amerikanisches serviert – so viel man will. Von dort kugelten wir uns soeben zurück und sind glücklich, einen wirklich entspannten Geburtstagszero verbracht zu haben.
Wettermäßig wird zwischendurch von Winter auf Sommer umgeschaltet. Frühling existiert quasi kaum, es eher Sommer mit kahleren Bäumen und weniger Mücken, der Übergang ist fließend. Dass der Winter langsam verschwindet, merkt man an den zunehmend aktiveren Vögeln, am warmen Regen, zartem Grün und ersten Blümchen und Schlangen am Wegesrand, ungenutzten Handschuhen und späterem Sonnenuntergang.

Shenandoah und Harper’s Ferry rücken immer näher und unsere nächste große Station heißt Waynesboro, VA, wo wir zu unseren Sommerschlafsäcken wechseln möchten; hoffentlich ist es dazu in gut einer Woche noch nicht zu früh. Nichtsdestotrotz werden wir uns dort einiger Gegenstände entledigen, die wir nur unnötig mit uns herumschleppen. Vielleicht können wir so etwas Zeit im folgenden Nationalpark aufholen.

Pearisburg, VA (634,9 Meilen)

Pearisburg, EZ Laundry

634,9 MI
TAG 57: 04/05/15, 12:07 AM
REKORDVERDÄCHTIG
Zwei Meilensteine in einer Tour zu knacken will was heißen: Wir sind nicht nur 1000 Kilometer von Springer Mountain entfernt sondern brachen auch schon wieder unseren eigenen Tagesrekord mit 24,5 Meilen, angespornt von der immer näher rückenden Aussicht auf eine Dusche, die nach über einer Woche einfach mal fällig wird. Obwohl ein schlechter Start uns eigentlich schon die Laune vermiesen wollte – die Drittelmeile vom Shelter zurück zum Trail gestaltete sich umständlicher als erwartet, da wir am Abend zuvor nicht genau auf den Weg achteten und so morgens durch das Unterholz kraxeln mussten – erhöhten wir bei schauerlichem Wetter unseren Stundendurchschnitt. In Kilometern wollten wir bei der verbleibenden Distanz gar nicht rechnen, da uns die nackte Zahl nur in Angst versetzt hätte. Umso stolzer und glücklicher waren wir, als wir endlich das 5-Personen-Shelter erreichten und uns von nur drei anderen Wanderern – und einem Hund – begrüßt fanden. Einer der drei war uns schon wohlbekannt, denn es war Stretch, unser israelischer Kumpane. Bei den anderen beiden handelte es sich um ein junges Sectionhikerpärchen, die den erwähnten Hund nur gefunden und beschlossen haben, sich um ihn zu kümmern. Vor allem das Mädchen, Littlefoot, wird sehr enttäuscht gewesen sein, als sie am nächsten Tag auf eine Vermisstenanzeige gestoßen ist, da sie ihr Herz an den sieben Monate alten Englischen Setter bereits innerhalb der wenigen gemeinsamen Stunden verloren und sich ihr zukünftiges Leben mit ihm vorgestellt hatte. Am nächsten Tag waren es dann auch „nur“ noch 18,5 Meilen bis Pearisburg. Wir fühlten uns dennoch nicht unverhältnismäßig unterfordert, denn der geröllhaldenmäßige Untergrund und die häufigeren Anstiege  ließen die Meilen etwas mühseliger erscheinen. Eine Meile ist eben nicht gleich Meile: Es gibt Schneemeilen, Eismeilen, steile Meilen, letzte Meilen, Matschmeilen… In Pearisburg kamen noch ca. 3 gelatschte Stadtmeilen hinzu, da wir uns für das preiswerte Churchhostel am anderen Ende der Stadt entschieden hatten, welches dafür näher am Walmart lag. Bevor wir uns also endlich unserer wohlverdienten Dusche widmeten, erfreuten wir uns an essbaren Hinterlassenschaften der letzten Hiker, die wir noch nicht mal teilen mussten. Wegen des abgelegenen Standortes und der frühen Saison schien die umfunktionierte und dreckige Scheune eher wenig frequentiert. Trotz unseres starken Körpergeruchs wollten wir zuerst unseren Einkauf für ein ordentliches Ostersonntagsfrühstück tätigen, weshalb wir dann auch erst gegen zehn zum Hostel zurückkehrten.

Gestärkt von unserem extravaganten Start in den Tag und glücklich über das sonnige, aber kalte, Frühlingswetter genießen wir unseren ersten, bewusst geplanten Zeroday, der nicht dem Wetter verschuldet ist. Unsere Füße und Schultern werden es uns danken, und auch unserer Wäsche gönnen wir eine Behandlung in der Laundry.

Damascus, VA (469,3 Meilen)

Kincora Hostel

TAG 41: 03/21/15, 22:43 PM
Was Philadelphiakäse und halbwegs frisches Brot aus dem Walmart für ein grandioses Frühstück abgeben, ist kaum zu denken. Wir waren auch sehr froh, noch morgens die Entscheidung, nicht im Bunkroom, sondern im Zelt im Garten geschlafen zu haben, nicht zu bereuen. Das Wetter hielt sich den ganzen Tag prächtig, was uns bei dem späten Start aus Erwin, TN sehr gelegen kam und uns abends sogar zum erneuten Zelten samt Lagerfeuer verführte – am Nachmittag wurden wir mit einer Trailmagic aus Kaffee, Eistee, Brownies und Bananabread für den zahnärztlichen Stress entlohnt. Nichtsdestotrotz kühlte es nachts so weit aus, dass Wasserreste in unserem Geschirr froren. Selbiges erlebten wir zwei Tage später am eigenen Körper, als bitterkalter Wind die vom Regen klamme Kleidung in knirschende Eisschichten verwandelte. Eigentlich dachten wir, wir wären durch damit, doch es gab auch eine Wiederbegegnung mit dem allseits gefürchteten „Black Ice“, das gut passierbare Wege rutschgefährlich macht. Daher sparten wir uns auch die Übernachtung in dem höchsten Shelter, machten dort nur Mittagspause und entschieden uns eher für das wohl größte Shelter auf dem AT, welches aus einer alten Scheune besteht. Die Lücken in den zusammengenagelten Brettern machten jedoch auch diese Nacht zu einer der unbequemsten in letzter Zeit, da sogar Wolken und Nebel sichtbar ihren Weg durch unsere Schlafstätte fanden. So machten wir uns warme Gedanken mit dem Entschluss, doch nicht nach Damascus, VA durch zu gehen, sondern vorher noch einen Zwischenstopp in Hampton, TN einzulegen. Abgesehen davon, dass wir unsere Essensvorräte bedrohlich geplündert haben, tut ein richtiges Bett und eine Dusche alle paar Tage einfach gut. Der niedrige Standard, der im Kincora Hostel herrscht, wird offenbar durch den extrem niedrigen Preis von fünf Dollar pro Nacht und Nase gerechtfertigt, dafür muss man jedoch die Gesellschaft von streunenden Katzen im Schlaf- und Wohnbereich in Kauf nehmen. Stretch, ein Israeli, der schon seit Wochen Teil unserer Wanderung ist und uns immer wieder begegnet, verbringt als einziger weiterer Wanderer die Nacht im Hostel und teilte mit uns sowohl unseren Ärger, erst morgen früh einkaufen zu können (wir hatten uns seit Tagen auf echtes Essen statt dehydrierten Nudeln gefreut) als auch unser improvisiertes, zusammengewürfeltes und selbstzubereitetes Festmahl.

Überglücklich, die Berge mit über 6000 Fuß hinter uns und eine weitaus angenehmer zu wandernde Sektion vor uns zu wissen, passt sich auch das Wetter an und dürfte sich in naher Zukunft freundlich geben, wie uns ein Southbounder eines Mittags prophezeite. Kommen wir zu unserem Plan der nächsten Tage: Hoffentlich können wir ein paar Meilen überspringen, um so schnell wie möglich in Damascus, VA anzukommen. Dort wollen wir uns einen Zeroday gönnen und dann schauen, wie’s weitergeht.

Damascus Branch Library

TAG 46: 03/26/15, 1:55 PM

Es scheint, als wolle die Gegend alle Missstaende auf einen Schlag wiedergutmachen, denn schon die ersten Meilen nach Kincora waren wunderschoen und entschaedigten schon im Voraus fuer den brutalen Aufstieg, der nach einem Ortsbesuch im Tal unweigerlich folgt. Zum ersten Mal folgte der Trail fuer laengere Zeit einem Fluss und Wetter und sonntaegliche Massen an Besuchern trugen zu einem richtigen Urlaubsfeeling bei. Nach diesem besagten Aufstieg durch Mischbewaldung aus Kiefer und Eichen wurde es allerdings wieder gewohnt eintoenig, lange Zeit bewegten wir uns lediglich auf den Bergruecken – eigentlich bis nach Damascus hinein. Dadurch blieb die Wanderung jedoch auch relativ „smooth“, wie die coolen People zu sagen pflegen.
Wir ueberschritten hier auch bereits kurz vorher unsere vierte Staatengrenze. Virginia ist einer der 14 Bundesstaaten, die der Trail mit am laengsten durchquert.

Nach einer Nacht in „The Place“ (Methodisten-Haus fuer Hiker, 6 Dollar pro Nacht im Bunkbed) hier in Damascus, der im Uebrigen zweiten Stadt, durch die der Trail direkt fuehrt, und im Mai Schauplatz der Trail Days ist, wollen wir uns wieder auf den Weg ins Ungewisse machen – denn wir haben tatsaechlich nicht so wirklich eine Ahnung, wie’s weitergeht. Die naechste, groessere Stadt scheint wohl Marion zu sein, danach dann irgendwann Pearisburg, doch Genaueres bleibt uns noch unklar.Ausserdem geht es wieder ca. 3000ft aufwaerts, da die Orte einerseits leider in der Regel im Tal angesiedelt sind und die Berge im so oft gepriesenen „flachen“ Virginia doch immer noch hoch sind. Zum vorausgesagten naechsten Wintereinbruch am Wochenende befinden wir uns also wieder passend auf ca. 5000 Fuss Hoehe.. Aber noch leisten unsere Winterschlafsaecke uns gute Dienste, auch werden die kalten Tage weniger.
Leider lockt im Moment kein besonderes Ziel in Rufweite, die kleineren Orte sind oft 3 bis 5 Meilen vom Trail entfernt. Um nur der Kaelte, aber nicht dem nagenden Hunger ausgesetzt zu sein, haben wir uns mit einigen Kalorienbomben ausgestattet, die zu verzehren die Highlights der naechsten Tage sind. Unsere stetig wachsenden Muskeln und Meilen brauchen Futter.

Erwin, TN

Flint Mountain Shelter

TAG 34: 03/14/15, 6:57 PM
NEULAND
Seit Springer Mountain hatten wir uns auf das vegetarische, frisch gekochte Dinner in Elmer’s Sunnybank Inn gefreut. Leider waren zu wenig Hiker, außer uns nämlich vorerst niemand, da, weswegen sich der Aufwand des Kochens nicht gelohnt hätte. Wenigstens konnten wir durch Gartenarbeit den Preis für die Übernachtung halbieren. Ansonsten stand das Übliche in Hot Springs an: Wäsche waschen, Vorräte auffüllen, kleinere Reperaturen und Verspeisen von Hamburgern. Das alles wurde zudem von ungewohnt gutem Wetter begleitet. Im Übrigen ist Hot Springs eine der wenigen, wenn nicht, die einzige, Stadt, die der AT direkt passiert. Nerviges Rein- und Rausgehitchhike wurde uns somit erspart.

Neuer, persönlicher Tagesrekord, und das dazu noch in akzeptabler Zeit. Das lag vielleicht nicht unwesentlich am eher schlechten Wetter, da der permanente Nieselregen irgendwann auch die beste Imprägnierung durchdringt. Die gelegentlichen Pausen hielten wir daher recht kurz und ein längerer Aufenthalt am ersten Shelter, welches wir mittags erreichten, wäre wegen des starken Windes auch ungemütlich geworden. Handschuhe und Mütze, die wir mit den Smokies hinter uns gelassen geglaubt hatten, kamen somit wieder zum Einsatz.

Obwohl sich das Wetter heute etwas aufklären sollte, war davon nicht viel mitzubekommen. Der Himmel zeigte sich regenverhangen und Bäume, die eigentlich Schutz versprechen müssten, formten aus kleinen Tropfen große. Froh, das Shelter wegen einer inzwischen kurz angerechneten Etappe im Vergleich früh erreichen zu können, verbringt sich der Rest des Tages dennoch am besten in den Schlafsack gekuschelt.

Uncle Johnny’s Garten

TAG 36: 03/16/15, 10:54 PM
ZÄHNE ZUSAMMENBEISSEN
Wenn man an Karma glaubt, müssen die nächsten Tage die besten auf dem Trail werden. Und die Zeichen stehen gut, für einen gerissenen Schnürsenkel und einen gebrochenen, aktuell irreparablen Reißverschluss am Schlafsack wurden wir immerhin mit Mountain Dew und Cola von Sectionhikern entlohnt – und das alles an einem Tag! Für eine abgefallene Krone und einen gebrochenen Zahn müsste dann ja mindestens eine im Wald wartende Pizza drin sein. Aufgrund dieses medizinischen Zwischenfalls mussten wir also den Trail schnellstmöglich verlassen, den nächsten Pickup freundlich heranwinken und unsere Situation erklären: Wir brauchen einen Zahnarzt. Jetzt. Sofort. Oder zumindest heute. Dass wir damit das amerikanische Gesundheitssystem auf eine harte Probe stellen, war uns bewusst, irgendwie hat aber doch alles besser geklappt, als geplant. In den bangen Stunden der Unwissenheit haben wir uns schon alles mögliche ausgemalt, von Flugumbuchung bis mehrwöchige Residenz in der nächstgrößeren Stadt. Trailangel Tom wollte uns eigentlich nur grüßen und seinen Wanderstock heute so richtig auf Touren bringen, dass er die nächsten vier Stunden mit uns verbringen würde, ahnte er da nämlich noch nicht. Unsere mehrfachen Entschuldigungen und Dankpreisungen kommentierte er nur lakonisch mit: “There’ll be other days for hiking.” Ohne ihn steckten wir jetzt noch immer ziemlich in der Klemme und wahrscheinlich in irgendwelchen schlecht zu verstehenden Zahnarzt-Hotlines.

Wir werden versuchen, auch die nächsten Tage unser Tempo von teilweise 20 Meilen aufrechtzuerhalten, um so schnell wie möglich in Damascus, VA zu sein – das ist also, abgesehen von kleineren Dörfern, in denen wir eventuell Einkäufe tätigen müssen – unser nächstes Ziel. Da momentan das Wetter mitspielt und uns wohlgesonnen ist, sollten wir für die rund 130 Meilen keine Woche benötigen. Es ist Zeit aufzuholen.