Sheffield, MA (1499,5 Meilen)

SHEFFIELD, MA
1499,5 MI
TAG 106: 05/26/15, 4:27 PM
RAUPÜBERFALL
Fast unauffällig verlief der Grenzübertritt von Pennsylvania nach New Jersey. Die Hoffnung auf steinlose Wege erfüllte sich leider nicht, aber immerhin gab es streckenweise so etwas wie waldwege. Die Tagesprofile waren sehr unterschiedlich, denn schon am ersten Tag nach Delaware Water gap wurde unser Tag kürzer als geplant, da uns ein zufällig vorbeifahrender Anwohner von einem privaten, kostenlosen Shelter erzählte, „direkt in der Nähe“. Damit verschob sich allerdings unser Wochenplan um einen Tag, wenngleich das Shelter eher einem verlassenen und baufälligen Jugendhaus glich, welches mitsamt der dazugehörigen Anlage und vielen weiteren Häusern von einer Studentenorganisation gekauft und renoviert wurde. Neben der kostenlosen Zur-Verfügung-Stellung eines Daches über dem Kopf wurden wir auch noch mit unzubereiteter deutscher Bratwurst und Dosenpfirsichen verköstigt, was die Entfernung vom Trail von bestimmt einer halben Meile entschädigte.
Als wir nach Tagen des unspektakulären Wanderns – abgesehen von der ungewollten Dusche in den sogenannten „Silk Worms“, die in manchen Gegenden überall von den Bäumen hängen und dem ahnungslosen Wandersmann Körperkontakt aufzwingen – endlich in unserem nächsten Ort namens Pawling, der bereits in New York lag, angekommen waren, war unser Hauptanliegen neben Dusche und Waschen von Kleidung das Abholen eines Lebensmittelpaketes, welches wir einige Zeit zuvor von Port Clinton, PA hatten weiterschicken lassen wollen – leider hat es die dortige Post nie verlassen, wie wir per Telefon feststellen mussten. Halb unverrichteter Dinge zogen wir also zu einem hikerfreundlichen Gartencenter weiter, von welchem wir durch unseren Guide erfahren hatten. Dort erwarteten wir einen Zeltplatz und eine dringend benötigte Dusche gewährt zu bekommen, leider war letztere jedoch defekt. Die kostenfreie Kaltdusche an der Außenwand des Gebäudes erschien uns leider unattraktiv, da die vor allem nachts fallenden Temperaturen eher zu Mütze und Schal denn Badeshorts einluden.

Etwas frustriert, wie es weitergehen soll und vor allem, wie mein Geburtstag gebührend feierbar ist, zogen wir weiter gen Norden, durchblätterten fieberhaft unseren Guide auf der Suche nach einer Bleibe für einen wohlverdienten Zeroday – bis zu einem Anruf bei Jessica in Sheffield, MA. Für verhältnismäßig kleines Geld dürfen wir so auf ihrem Dachboden schlafen, bekommen ein enormes Frühstück serviert und haben eine Fahrtgelegenheit zu Supermarkt und Restaurant. Ihre Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit gipfelt sogar in dem Mitbringen von lokalem Bier und dem Herumschlagen von diversen Outfitterhotlines. Dass wir an so einem wundervollen Ort unterkommen könnten, hatten wir nicht zu hoffen gewagt.

Nun genießen wir also die frühsommerliche Wärme auf ihrer Terrasse, freuen uns auf einen entspannten Wandertag ohne großem Gewicht auf dem Rücken dank Slackpacking und müssen uns nur noch mit der Frage herumquälen, in welchem Restaurant wir heute Abend meinen Geburtstag begießen.

Delaware Water Gap, PA

Delaware Water Gap

TAG 93: 05/14/15, 7:30 PM
GUT BESCHUHT IST HALB GEWANDERT
Vermutlich war der steinige und steile Aufstieg nach dem Besuch von Slatington eine der härtesten Stellen dey gesamten Appalachian Trails, abgesehen von der Besteigung von Mount Katahdin vielleicht. Dort werden wir aber vermutlich nicht mit 20 Kilo auf dem Rücken und wesentlich ausgeruhter starten. Der Besuch des kleinen Örtchens nahe des Trails war relativ erfolgreich: Wir wurden rund fünf Pfund Gepäck los, konnten ein bisschen einkaufen, unsere Wäsche waschen und Emails nach Hause schreiben. Leider benötigte das alles weit mehr Zeit als geplant. Als wir noch mittags in der Stadt verweilten und weit vom Wiederaufnehmen des Wanderns entfernt schienen, kamen wir zu dem Schluss, es wohl kaum mehr zu dem 16 Meilen entfernten Shelter zu schaffen. Da die Gegend leider recht wasserlos ist, war zelten auch keine Alternative – nur die Garage der Familie Stempa, die als Hikerzuflucht in unseren Guide eingetragen war, schien infrage zu kommen. Nach einem kurzen Telefongespräch war die Unterkunft also gesichert.

Nachdem wir die Nacht und Garage mit zwei Sectionhikern und ein paar Tausendfüßlern geteilt hatten, standen uns noch etwa 23 Meilen der Hölle Pennsylvanias bevor – entweder schafften wir es also zum – vielleicht nicht Erlösung, doch zumindest – Genugtuung versprechenden Delaware Water Gap, PA, welches den Übergang nach New Jersey markiert, oder wir brächen am Shelter ab. Dieses erreichten wir mit sechs verbleibenden Meilen gegen vier Uhr nachmittags, und da wir uns noch relativ fit fühlten, stand dem Staatenabschluss nichts im Wege. Genau genommen, erfolgt der offizielle „Übertritt“ am nächsten Tag. Und
Und hier blieben wir auch gleich noch einen Tag, da der Besuch beim ortsansässigen Outfitter betreffs neuer Schuhe für mich wegen mangelnder Auswahl und minimalem Vekaufsinteresse leider nicht erfolgreich war. Als Alternative entschieden wir uns nach Stroudsburg zu fahren, nachdem Umbrellaman bereits dort einen anderen Outfitter outfindig machen konnte, der auch genügend Outwahl und Spaß an Verouterung dieser vorzuweisen hatte.

Mit neuen Stiefeln und einer Handvoll Dollar weniger im Gepäck verlief der Zeroday nach dem obligatorischen Besuch Walmarts wie im Fluge, Kalorienzufuhr und Fußpflege standen dabei im Vordergrund. Jetzt freuen wir uns wie Bolle auf den mittlerweile achten Staat. New Jersey, wir kommen!

Slatington, PA

Eagles Nest Shelter

TAG 87: 05/08/15, 8:24 PM
ROCKSYLVANIEN
Obwohl wir über Pennsylvania auf unserer Reise aus dem Süden eigentlich nur Schlechtes, vor allem wegen der berühmt-berüchtigten Felsenkletterei, gehört hatten, gestalteten sich der kurze Abstecher in unseren sechsten Staat, Maryland, und die ersten fünfzig Meilen des siebten, Pennsylvania, so, wie wir uns den Shenandoah National Park gewünscht hatten: warm, flach, grün. Unsere Freude wurde nur leicht gedämpft, was nicht nur mit den vielen Wegen und Straßen zusammenhing, die man immer wieder überquert und kein richtiges Wildnisgefühl aufkommen lassen, wie wir es vom Beginn unserer Wanderschaft kannten, offenbar bahnte sich auch eine Entzündung in meinem linken Fuß an, die mich am vollen Auftreten hindert. Seitdem halte ich mich noch immer mit Schmerztabletten über Wasser, was aber selbstverständlich keine Dauerlösung ist – falls es noch viel länger bestehen bleibt, müssen wir ein zweites Mal Bekanntschaft mit dem grandiosen amerikanischen Gesundheitssystem machen. Eigentlich müssten wir unsere Füße also schonen und zumindest kleinere Touren machen, doch genau das Gegenteil ist der Fall: Seit Harpers Ferry haben wir mit mehreren 25-Meilen-Tagen so große Touren wie noch nie gemacht. Mitschuld hatte daran die Half-Gallon-Challenge, von der wir schon seit Wochen träumen – ich zumindest. Kann man die halbe Gallone, also etwas weniger als zwei Liter, Eiscreme nach Wahl bezwingen, wird man in den hiesigen Club aufgenommen, was mit einem bedruckten Holzstiel besiegelt wird. Bis zum Memorial Day am 25. Mai sollte der Laden nur am Wochenende geöffnet haben, daher gaben wir alles, um noch am Sonntagnachmittag dort anzukommen. Auf dem Weg dorthin passierten wir auch den aktuellen Mittelpunkt des Trails, wir sind also nun näher an Katahdin, als an Springer Mountain! Neben dem tatsächlichen Mittelpunkt diesen Jahres sollten wir auch noch einen historischen sowie den originalen passieren, da kommt man schon mal ein bisschen durcheinander.

Um uns von den langen Tagen wenigstens kurze Erholung zu gönnen, nahmen wir uns den Nachmittag in dem beschaulichen Örtchen Boiling Springs, PA frei. Dort mussten wir sowieso zur Post, um unser Versorgungspaket aufzugreifen, doch die nächsten 14 Meilen zum Shelter hätten wir nur schwerlich geschafft. Da das Zelten in der Cumberland Valley, durch die sich der Trail bis dahin zieht, verboten ist, zelteten wir also am stadteigenen Zeltplatz – direkt neben der Güterbahnlinie. Lange schlafen wollten wir jedoch ohnehin nicht, da wir in einem Rutsch nach Duncannon, PA durchzugehen planten. Eine Dusche und ein richtiges Bett hatten wir bei der momentan fast sommerlich anmutenden Hitze bitter nötig, deshalb übernachteten wir in der ehemaligen Pendlerabsteige „The Doyle“. Günstig, und zumindest hatten die Betten keine Flöhe. Glauben wir.

Nun trennen uns noch weitere neun Meilen von unserem nächsten Paket in Port Clinton, PA. Da morgen jedoch Samstag ist, öffnet die Post nur von 8 bis 11 Uhr – und dann erst wieder am Montag. Um es also rechtzeitig zu schaffen, wird der Wecker um 3 Uhr klingeln…

Was in den kommenden Wochen auf uns zukommt, ist noch nicht so recht abzusehen. Einerseits wollen wir schnellstmöglich aus dem unwegsamen Gelände Pennsylvanias raus, andererseits kommen wir nicht so schnell voran, wie wir gerne würden. Die spitzen Steine im Boden tun unseren sowieso geschundenen Füßen nicht gerade gut, doch sind wir auch unsicher, ob sie sich prompt an der Staatsgrenze nach New Jersey in etwa 90 Meilen verabschieden.

George W. Outerbridge Shelter

TAG 90: 05/11/15, 8:43 PM
ROCK N ROLL
Pennsylvania rocks! Und das ist wörtlich gemeint! Große Felsen, Kletterpassagen, Geröllfelder und besonders fies: unregelmäßige spitze Steine über den ganzen Weg verteilt. Inzwischen haben wir solche Fußschmerzen, das wir unseren Tagesschnitt auf ca. 16 bis 17 Meilen senken mussten. Jeder Hiker scheint da sein eigenes Rezept zu haben, Salben, Schuhe, Einlagen, Pillen – unseres heißt weniger Meilen und Ibuprofen. Jeder zweite Eintrag im Shelterlogbuch handelt vom Ärger über oder mit den Steinen. Wettermäßig sind wir fast im Hochsommer, es soll aber in den nächsten Nächten wieder kühler werden.

In Erinnerung bleiben wird uns der supercoole “Barbershop” in Port Clinton. Eigentlich wollten wir nur kurz unsere Maildrop im Postoffice abholen – weswegen wir ja bereits um 4:00 Uhr gestartet waren – um dann so schnell wie ins nahe gelegene Hamburg zu trampen. Auf dem Weg trafen wir Red Feather, Yo-Yo und Tweet, die uns dringend rieten den gegenüberliegenden Barbershop zu besuchen, wo Frank, der Barbier, Hiker zu Kaffee, Keksen und ausdrücklichem Abhängen einlud (was sonst in vielen Laden explizit unerwünscht ist). Der Laden war eine optische Zeitreise in die 50er, mit einem sehr sympathischen und skurrillen Friseur Frank, der zusammen mit seinem knapp 90jährigen Vater in dieser Kulisse Haare schnitt und Hiker bewirtete. Beide luden uns sofort zu Pizza und Livemusik ein, die ab 11 Uhr im Laden stattfinden sollte. So fiel unser Besuch in Hamburg relativ kurz aus. Unser Trailangel, den andere Hiker kennengelernt hatten, spielte freudig Taxi für uns und fuhr uns freudig zu Walmart und Outfitter, auch wenn wir Stunden brauchten. Letztendlich schafften wir es, uns mit unseren unheimlich schweren Rucksäcken zum nächsten Shelter zu schleppen. Die Tage darauf wurden steinig und schwer, sodass wir froh sind, morgen in einem Ort mit Post sind.
Vielleicht können wir mit einem Paket wieder etwas Gewicht verlieren, bevor wir morgen einen der schwierigsten Anstiege überhaupt bezwingen müssen, da dieser nicht nur steil sondern auch steinig sein soll. Hoffentlich treffen wir dort nicht auf allzu viele Schlangen, die sich in Pennsylvania zu häufen scheinen – wir vermuten, sogar schon eine Klapperschlange verbuchen zu können.