Nein, wir sind nicht über eine Woche am gleichen Ort geblieben. Wir sind hin und wieder zurück. Hin, durch die Wilderness, rauf auf Katahdin, wieder runter, raus aus Baxter State Park und letztendlich wieder nach Monson zurück. Dort blieben wir ja bereits vor dem Betreten der Wildnis und hatten nach einer kostengünstigen Übernachtungsmöglichkeit gefragt, wodurch wir eine der beiden verbrachten Nächte mit Arbeit bezahlen konnten. Offenbar haben wir so gut geputzt, dass das nun ebenfalls kein Problem zu sein scheint.
Eigentlich hatten wir insgesamt sechs Tage geplant, um durch die unbewohnten 100 Meilen vor Katahdin zu kommen und am siebten den finalen Anstieg zu bezwingen. Da sich allerdings schlechtes Wetter für den siebten Tag ankündigte, und Katahdin wahrlich kein Berg ist, den man, abgesehen von der fehlenden Aussicht, bei Regen besteigen möchte, versuchten wir in der zweiten Hälfte richtig Meilen zu machen. Glücklicherweise war dies dank dem nach Katahdin hin abflachenden Profil relativ einfach, auch wenn der Untergrund mit den üblichen Wurzeln, der Matsche und den an Pennsylvania erinnernden Steinen schmerzlich an frühere Zeiten erinnerte.
Zusammen mit Red Feather, einer Hikerin, die wir im Shenandoah getroffen, haben wir vor der Wilderness einen Fooddrop arrangiert, um nicht so viele Lebensmittel tragen zu müssen. Da wir uns allerdings nicht darauf verlassen wollten, trugen wir selbstverständlich Extraportionen, was unsere Rucksäcke im Endeffekt nicht wirklich leichter machten. Es scheint, als hätten wir auf den 2000 Meilen von Georgia nicht viel in der Hinsicht gelernt – alle anderen Hiker, die so weit gekommen sind, haben ihr Gepäck schon wesentlich drastischer entschlackt. Andererseits verzichten die wiederum auf mehr Komfort, den wir uns eben mit Rücken-, Schulter- und Hüftschmerzen erkauften.
Als wir vor der Wildnis SoBos getroffen haben, sahen die meist ziemlich durchnaesst aus. Auf Nachfragen, wie schlimm das Wetter denn gewesen sei, gab es den Bericht von „mindestens allen drei Tagen Regen“, wir waren also auf das Schlimmste vorbereitet. Alles in dreifachen Tueten verpackt marschierten wir strahlendem Sonnenschein entgegen, der sich, abgesehen von hoechsten halbstuendigen Schauern, nicht veraendern wollte. Insgesamt war das Wetter beinahe zu gut, den Muecken hat es naemlich auch hervorragend gefallen. Entsprechen zerstochen sahen wir am Katahdin Stream Campground, der letzten Bastion vor der Besteigung Katahdins, auch aus. Hatten wir morgens noch ueberlegt, vielleicht die Nacht an der Abol Bridge, die auf halbem Wege liegen wuerde, doch waren wir nach der Ankunft dort etwas enttaeuscht. Eigentlich dachten wir, dort ein leckeres Mittagessen zu uns nehmen zu koennen, doch anstelle des geschlossenen Restaurants mussten wir uns mit einem ueberteuerten Tankstellenladen und durchweichten Sandwiches begnuegen. Wenige Meter nach der Wildnis hatten wir etwas mehr Hikerfreundlichkeit und Angebot erwartet und uns schon Meilen davor darauf gefreut – schade!
An The Birches, dem abgelegenen Shelterplatz fuer Thruhiker, fanden sich ausser uns noch Jax, Bostrichund Lucky ein, nur letzteren kannten wir schon seit einer ganzen Weile. Auf seine Bitte hin verliessen wir den Platz zusammen am naechsten Morgen gegen 6 Uhr, da wir fuer den Auf- und Abstieg einige Zeit einplanten, auch wenn es „nur“ fuenf Meilen pro Weg sein sollten. Die ersten Meilen unter der Baumgrenze erschraken uns nicht wirklich – ein paar Wurzeln, feuchte Steine, einige Muecken. Sobald wir jedoch ueber dem letzten Baum angelangt waren, veraenderte sich die Szenerie drastisch: Mannshohe Felsen und kaum von Menschen angebrachte Sicherungen wie Steigeisen, die wir zuvor noch manchmal erlebt hatten. Hier war man allerdings vollkommen auf sich allein gestellt, wodurch manche Passagen echte Herausforderungen boten. Dank der Daypacks, die man sich kostenlos bei den Rangern im Park leihen konnte, fehlte das gewohnt monstroese Gewicht auf unseren Ruecken und nahm uns daher eine Menge der Schwierigkeit.
Nach etwa dreieinhalb Meilen erreichten wir ein Plateau und erhaschten den ersten, richtigen Blick auf den Gipfel. Danach wurde die Wanderung wesentlich unanstrengender, was sicherlich auch mit der herausragenden Aussicht zusammenhing. Und dann waren wir endlich da. Dort, worauf wir seit 155 Tagen hinarbeiteten. So oft hatten wir davon getraeumt, so oft Bilder vom Gipfel und dem charakteristischen Schild gesehen.