Rangeley, ME

„Endlich aus den Whites raus, jetzt können wir richtig Meilen machen und den Rest vom Trail schnell hinter uns bringen.“ Als wir mit diesen Gedanken Gorham verließen, war uns Maine noch nicht passiert.

Trotz einem recht großen ersten Tag mit 16 Meilen, an dessen Ende wir müde, doch strahlend über die Grenze nach Maine treten konnten, wurden die folgenden Tage eher kurz. Zwar wanderten wir nicht unbedingt weniger Stunden am Tag, aber jede einzelne Meile wollte hart verdient sein. Stets hörten wir Gerüchte über den Schwierigkeitsgrad Maines aufgrund der Mücken und der zu überquerenden Flüsse, dass der Trail an sich wegen vieler Steine, Wurzeln und des Matsches anstrengend sein sollte, war einigermaßen überraschend. Dementsprechend hielten sich unsere Tage unter 15 Meilen, denn es gab auch so Strecken wie die sogenannte „Funmeile“, die den Ruf „längste“ oder „schwierigste“ Meile des Trails nicht umsonst verdient – wie wir jetzt behaupten können. Nicht nur, dass wir sogar noch Schneereste unter Felsen entdecken konnten – die Funmeile ist ein ewig langes Stück von Felsenkletterei zwischen zwei Klippen, etwa 50 Meter breit – sondern stets musst man um seine Gesundheit oder zumindest seine Wanderstöcke fürchten. Verschwänden diese einmal in einem der manchmal fünf Meter tiefen Löcher, wären sie für alle Unendlichkeit verschollen.

Das Wetter in New England hatte sich bisher nicht immer von seiner sonnigsten Seite gezeigt, waren wir jedoch nass, trockneten wir bei halbwegs warmen Temperaturen wieder schnell. Eine ganz andere Erfahrung mussten wir allerdings am Sonntag machen, und auch andere Hiker, wie wir hinterher erzählt bekamen. Eigentlich wollten wir nämlich gerade einmal 14 Meilen zu einer Straße nach Andover, ME bewältigen, nachdem wir den ersten Zugang nach vier Meilen übermütig links liegen ließen. Nach insgesamt zehn Meilen mussten wir kapitulieren. Der stetige Regen, zeitweise ziemlich heftig, hatte uns soweit ausgekühlt, dass wir uns schnellstmöglich unserer Kleidung entledigen und Zuflucht im Schlafsack suchen mussten, auch wenn wir schon um halb eins mittags am Shelter ankamen.

Jetzt stehen uns nur noch lediglich 220 Meilen bis zum Terminus Katahdin bevor, und wir sind ein wenig in Schule-kurz-vor-Sommerferien-Stimmung. Laut unserer waghalsigen Planung in einer Exceltabelle könnten wir am 13. Juli dort sein – dazwischen stehen aber noch einige 20-Meilen-Tage und die berühmt-berüchtigte 100-Mile-Wilderness. Davor planen wir unsere nächste und letzte Übernachtung in einem Hostel, wo uns auch ein Paket mit Lebensmitteln für die letzte Woche erwartet.

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