Marion, VA (531,5 Meilen)

Marion Library

TAG 49: 03/29/15, 2:04 PM

Gesaettigt und gekraeftigt war der kurze Weg von Damascus zum Shelter fuer uns inzwischen fast muehelos zu bewaeltigen. Die Sonne schien, und Virginia erscheint uns landschaftlich bisher am reizvollsten: blaugruen-schimmernde Wildwasserfluesse, Felsen, Nadelwaelder….eine echte Abwchslung zu den ueberwiegend neintoenig und kahlen Eichenwaeldern. Die weniger steilen Anstiege machen es zudem einfacher. Leider sind NACh Stadtbesuchen unsere Essensbeutel so stark aufgefuellt und somit eine neue Ballast, aber die Vorfreude auf das Essen wiegt dies im wahrsten Sinne wieder auf.

Wir teilten uns das Shelter mit Stretch und einem Section-Hiker und Sohn.

Aber der Winter hatte noch ein Ass im Aermel und erwischte uns am naechsten Tag eiskalt. Leider lag noch ein 5000 Fuss Anstieg vor uns, und mit zunehmender Hoehe wurde es weisser und kaelter. Froh nach knapp 20 Meilen am Shelter angekommen zu sein, war es fast zu spaet, zu eng und zu kalt auf dem bereits teilbelegten ersten Stock unser Abendessen zuzubereiten. Dies sind die Momente, wo man sich (nur ganz kurz) in seine eigene, kuschelig warme Kueche zurueckbeamen moechte. Aber als echte Hiker gelang uns die Zubereitung unserer “Ramennudeln”, die wir heiss und gierig verschlangen.

Leider war das Dach undicht, aber trotz des ueber unsere Schlafsaecke gelegten Footprints schneiten wire in. Dies stellten wir mit Schrecken in der Nacht fest. Wir warteten den Tagesanbrch ab und beschlossen, nach Troutdale (ca. 20 Meilen entfernt) durchzulaufen, um unsere Schlafsaecke zu trocknen und uns aufzuwaermen. Mit Tipp seines anwesenden Sectionhikers fuer eine Abkuerzung schafften wir den Abstieg nach Troutdale durch eine weihnachtlich anmutende Winterlandschaft viel schneller als geplant. Wir konnten dann zu einem empfohlenen Hikerhostel hitchhiken. Inzwischen wissen wir, dass Hitchhiken in Virginia verboten ist, man sollte besser Angebote annehmen. Das Hikerhostel war warm und sauber, und mit der freundlichen Einladung der Mitglieder der Baptistengemeinde, die das kleine Hostel (4 Etagenbetten in zwei Raeumen) betrieben, an der sonntaeglichen Bibelstunde und am Gottesdienst teilzunehmen , genossen wir den warmen Aufenthalt bei klirrender Kaelte draussen. So schnell wie der Winter gekommen war verschwand er auch wieder. Sonnenschein am Sonntagmorgen, ein freundlich offeriertes Fruehstueck mit Pancakes und Ruehrei mit Schinken hob unsere Stimmung betraechtlich, waren wir doch erst 24Sunden vorher durchgefroren und ohne Fruehstueck quasi vom Berg gefluechtet. Die naecsten 15,5 Meilen kamen uns fast wie ein Spaziergang vor, wir genossen die Sonne, die Landschaft und unseren Lunch am Fluss. Unser Zielshelter lag in Rufweite eines Visitorcenters, solide gebaut und bot genug Platz fuer uns und wweitere 5 Hiker. “The Professor”, ein Sectionhiker aus Washington, der den AT bereits zwei Mal erwanderte, lud uns am naechsten Tag in Marion zum Essen ein. Wir hatten ihn am Tag zuvor im Hostel kennengelernt und viel mit ihm gequatscht. Das All-you-can-eat-Buffet, der Traum aller Hiker, ist das Fundament fuer die naechsten Ramen-Tortilla-Pueree-Tage bis Bland (4 Tage) oder Pearisburg (7 Tage). Wir hoffen, ihn vielleicht in Pennsylvania, seinem Heimatstaat, wiederzutreffen. Aber erst wollen wir Virgina weiter geniessen.

Damascus, VA (469,3 Meilen)

Kincora Hostel

TAG 41: 03/21/15, 22:43 PM
Was Philadelphiakäse und halbwegs frisches Brot aus dem Walmart für ein grandioses Frühstück abgeben, ist kaum zu denken. Wir waren auch sehr froh, noch morgens die Entscheidung, nicht im Bunkroom, sondern im Zelt im Garten geschlafen zu haben, nicht zu bereuen. Das Wetter hielt sich den ganzen Tag prächtig, was uns bei dem späten Start aus Erwin, TN sehr gelegen kam und uns abends sogar zum erneuten Zelten samt Lagerfeuer verführte – am Nachmittag wurden wir mit einer Trailmagic aus Kaffee, Eistee, Brownies und Bananabread für den zahnärztlichen Stress entlohnt. Nichtsdestotrotz kühlte es nachts so weit aus, dass Wasserreste in unserem Geschirr froren. Selbiges erlebten wir zwei Tage später am eigenen Körper, als bitterkalter Wind die vom Regen klamme Kleidung in knirschende Eisschichten verwandelte. Eigentlich dachten wir, wir wären durch damit, doch es gab auch eine Wiederbegegnung mit dem allseits gefürchteten „Black Ice“, das gut passierbare Wege rutschgefährlich macht. Daher sparten wir uns auch die Übernachtung in dem höchsten Shelter, machten dort nur Mittagspause und entschieden uns eher für das wohl größte Shelter auf dem AT, welches aus einer alten Scheune besteht. Die Lücken in den zusammengenagelten Brettern machten jedoch auch diese Nacht zu einer der unbequemsten in letzter Zeit, da sogar Wolken und Nebel sichtbar ihren Weg durch unsere Schlafstätte fanden. So machten wir uns warme Gedanken mit dem Entschluss, doch nicht nach Damascus, VA durch zu gehen, sondern vorher noch einen Zwischenstopp in Hampton, TN einzulegen. Abgesehen davon, dass wir unsere Essensvorräte bedrohlich geplündert haben, tut ein richtiges Bett und eine Dusche alle paar Tage einfach gut. Der niedrige Standard, der im Kincora Hostel herrscht, wird offenbar durch den extrem niedrigen Preis von fünf Dollar pro Nacht und Nase gerechtfertigt, dafür muss man jedoch die Gesellschaft von streunenden Katzen im Schlaf- und Wohnbereich in Kauf nehmen. Stretch, ein Israeli, der schon seit Wochen Teil unserer Wanderung ist und uns immer wieder begegnet, verbringt als einziger weiterer Wanderer die Nacht im Hostel und teilte mit uns sowohl unseren Ärger, erst morgen früh einkaufen zu können (wir hatten uns seit Tagen auf echtes Essen statt dehydrierten Nudeln gefreut) als auch unser improvisiertes, zusammengewürfeltes und selbstzubereitetes Festmahl.

Überglücklich, die Berge mit über 6000 Fuß hinter uns und eine weitaus angenehmer zu wandernde Sektion vor uns zu wissen, passt sich auch das Wetter an und dürfte sich in naher Zukunft freundlich geben, wie uns ein Southbounder eines Mittags prophezeite. Kommen wir zu unserem Plan der nächsten Tage: Hoffentlich können wir ein paar Meilen überspringen, um so schnell wie möglich in Damascus, VA anzukommen. Dort wollen wir uns einen Zeroday gönnen und dann schauen, wie’s weitergeht.

Damascus Branch Library

TAG 46: 03/26/15, 1:55 PM

Es scheint, als wolle die Gegend alle Missstaende auf einen Schlag wiedergutmachen, denn schon die ersten Meilen nach Kincora waren wunderschoen und entschaedigten schon im Voraus fuer den brutalen Aufstieg, der nach einem Ortsbesuch im Tal unweigerlich folgt. Zum ersten Mal folgte der Trail fuer laengere Zeit einem Fluss und Wetter und sonntaegliche Massen an Besuchern trugen zu einem richtigen Urlaubsfeeling bei. Nach diesem besagten Aufstieg durch Mischbewaldung aus Kiefer und Eichen wurde es allerdings wieder gewohnt eintoenig, lange Zeit bewegten wir uns lediglich auf den Bergruecken – eigentlich bis nach Damascus hinein. Dadurch blieb die Wanderung jedoch auch relativ „smooth“, wie die coolen People zu sagen pflegen.
Wir ueberschritten hier auch bereits kurz vorher unsere vierte Staatengrenze. Virginia ist einer der 14 Bundesstaaten, die der Trail mit am laengsten durchquert.

Nach einer Nacht in „The Place“ (Methodisten-Haus fuer Hiker, 6 Dollar pro Nacht im Bunkbed) hier in Damascus, der im Uebrigen zweiten Stadt, durch die der Trail direkt fuehrt, und im Mai Schauplatz der Trail Days ist, wollen wir uns wieder auf den Weg ins Ungewisse machen – denn wir haben tatsaechlich nicht so wirklich eine Ahnung, wie’s weitergeht. Die naechste, groessere Stadt scheint wohl Marion zu sein, danach dann irgendwann Pearisburg, doch Genaueres bleibt uns noch unklar.Ausserdem geht es wieder ca. 3000ft aufwaerts, da die Orte einerseits leider in der Regel im Tal angesiedelt sind und die Berge im so oft gepriesenen „flachen“ Virginia doch immer noch hoch sind. Zum vorausgesagten naechsten Wintereinbruch am Wochenende befinden wir uns also wieder passend auf ca. 5000 Fuss Hoehe.. Aber noch leisten unsere Winterschlafsaecke uns gute Dienste, auch werden die kalten Tage weniger.
Leider lockt im Moment kein besonderes Ziel in Rufweite, die kleineren Orte sind oft 3 bis 5 Meilen vom Trail entfernt. Um nur der Kaelte, aber nicht dem nagenden Hunger ausgesetzt zu sein, haben wir uns mit einigen Kalorienbomben ausgestattet, die zu verzehren die Highlights der naechsten Tage sind. Unsere stetig wachsenden Muskeln und Meilen brauchen Futter.

Erwin, TN

Flint Mountain Shelter

TAG 34: 03/14/15, 6:57 PM
NEULAND
Seit Springer Mountain hatten wir uns auf das vegetarische, frisch gekochte Dinner in Elmer’s Sunnybank Inn gefreut. Leider waren zu wenig Hiker, außer uns nämlich vorerst niemand, da, weswegen sich der Aufwand des Kochens nicht gelohnt hätte. Wenigstens konnten wir durch Gartenarbeit den Preis für die Übernachtung halbieren. Ansonsten stand das Übliche in Hot Springs an: Wäsche waschen, Vorräte auffüllen, kleinere Reperaturen und Verspeisen von Hamburgern. Das alles wurde zudem von ungewohnt gutem Wetter begleitet. Im Übrigen ist Hot Springs eine der wenigen, wenn nicht, die einzige, Stadt, die der AT direkt passiert. Nerviges Rein- und Rausgehitchhike wurde uns somit erspart.

Neuer, persönlicher Tagesrekord, und das dazu noch in akzeptabler Zeit. Das lag vielleicht nicht unwesentlich am eher schlechten Wetter, da der permanente Nieselregen irgendwann auch die beste Imprägnierung durchdringt. Die gelegentlichen Pausen hielten wir daher recht kurz und ein längerer Aufenthalt am ersten Shelter, welches wir mittags erreichten, wäre wegen des starken Windes auch ungemütlich geworden. Handschuhe und Mütze, die wir mit den Smokies hinter uns gelassen geglaubt hatten, kamen somit wieder zum Einsatz.

Obwohl sich das Wetter heute etwas aufklären sollte, war davon nicht viel mitzubekommen. Der Himmel zeigte sich regenverhangen und Bäume, die eigentlich Schutz versprechen müssten, formten aus kleinen Tropfen große. Froh, das Shelter wegen einer inzwischen kurz angerechneten Etappe im Vergleich früh erreichen zu können, verbringt sich der Rest des Tages dennoch am besten in den Schlafsack gekuschelt.

Uncle Johnny’s Garten

TAG 36: 03/16/15, 10:54 PM
ZÄHNE ZUSAMMENBEISSEN
Wenn man an Karma glaubt, müssen die nächsten Tage die besten auf dem Trail werden. Und die Zeichen stehen gut, für einen gerissenen Schnürsenkel und einen gebrochenen, aktuell irreparablen Reißverschluss am Schlafsack wurden wir immerhin mit Mountain Dew und Cola von Sectionhikern entlohnt – und das alles an einem Tag! Für eine abgefallene Krone und einen gebrochenen Zahn müsste dann ja mindestens eine im Wald wartende Pizza drin sein. Aufgrund dieses medizinischen Zwischenfalls mussten wir also den Trail schnellstmöglich verlassen, den nächsten Pickup freundlich heranwinken und unsere Situation erklären: Wir brauchen einen Zahnarzt. Jetzt. Sofort. Oder zumindest heute. Dass wir damit das amerikanische Gesundheitssystem auf eine harte Probe stellen, war uns bewusst, irgendwie hat aber doch alles besser geklappt, als geplant. In den bangen Stunden der Unwissenheit haben wir uns schon alles mögliche ausgemalt, von Flugumbuchung bis mehrwöchige Residenz in der nächstgrößeren Stadt. Trailangel Tom wollte uns eigentlich nur grüßen und seinen Wanderstock heute so richtig auf Touren bringen, dass er die nächsten vier Stunden mit uns verbringen würde, ahnte er da nämlich noch nicht. Unsere mehrfachen Entschuldigungen und Dankpreisungen kommentierte er nur lakonisch mit: “There’ll be other days for hiking.” Ohne ihn steckten wir jetzt noch immer ziemlich in der Klemme und wahrscheinlich in irgendwelchen schlecht zu verstehenden Zahnarzt-Hotlines.

Wir werden versuchen, auch die nächsten Tage unser Tempo von teilweise 20 Meilen aufrechtzuerhalten, um so schnell wie möglich in Damascus, VA zu sein – das ist also, abgesehen von kleineren Dörfern, in denen wir eventuell Einkäufe tätigen müssen – unser nächstes Ziel. Da momentan das Wetter mitspielt und uns wohlgesonnen ist, sollten wir für die rund 130 Meilen keine Woche benötigen. Es ist Zeit aufzuholen.