Die Erlebnisse von Tag 18 bis 25.
Gatlinburg
207,3 MI
TAG 25: 03/06/15, 10:41 AM
NACH DER STEIGUNG IST VOR DER STEIGUNG
Noch etwas geschwächt, aber satt, ausgeschlafen, trocken und warm machten wir uns auf zum 7-Meilen-Aufstieg aus dem Tal des NOC. Müde und leicht durchfroren erreichten wir nachmittags das Shelter, entschieden uns jedoch dagegen, die Nacht dort zu verbringen – nicht nur, weil sich dort zwei Hiker breit gemacht hatten sondern auch um vielleicht eine Übernachtungsmöglichkeit in einem Hostel wahrzunehmen. Dieses war allerdings restlos ausgebucht, weswegen wir notgedrungen unser Zelt im knöcheltiefen Schnee aufschlugen. Die Minusgrade, die das Untergehen der Sonne begleiteten, erschwerten dies zusätzlich.
Am nächsten Tag brachen wir trotz nicht einwandfreier Verfassung und suboptimalem Untergrund unseren Tagesrekord von 16 Meilen um eine weitere, da das “Fontana Hilton” mit fast geschlossenen Wänden und einer heißen Dusche winkte. Zwar war es ansonsten nur ein Shelter wie alle anderen, doch alleine diese Annehmlichkeiten legitimieren die Titulierung fraglos. Noch perfekter hätte es nur mit den Quesedillas werden können, die Sectionhiker wohl zwei Stunden vor unserer Ankunft verteilten – so musste der einzig anwesende Thruhiker gleich drei essen.
Das südliche Ende der Smokies in Fontana präsentierte sich anfangs noch sonnig, zum Abend hin machte sich der Nationalpark um seinen Namen verdient. Da wir das Shelter erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichten, wurden es uns vor allem durch die aufblitzenden Stirnlampen der Wanderer gewahr, die uns während unserer ausgiebigen Mittagspause mit einem halben Riegel im Mund überholten.
Wie der vorherige Tag endete, so begann der folgende. Die nächtliche Kälte überzog den langsam schmelzenden Schnee mit einer gefährlichen Eisschicht, sodass wir uns fast wünschten, die 65 Dollar teuren Spikes im letzten Outfitter gekauft zu haben. Die überraschenden, schneelosen 15 Grad auf einer felsigen Erhebung verführten uns wieder zu einer längeren Pause, denn dort entfaltete sich die wahre Schönheit der Smokies. Auf diesen Meilen folgt der AT der Staatengrenze zwischen North Carolina und Tennessee und fast schien es, als ob sich die Natur daran halten wolle. Während Tennessee fast vollends von einer Wolkendecke verschluckt war, die von unserer Position wie Meeresbrandung und Küstenlinie anmutete, offenbarte sich North Carolina geklärt. Von diesem Anblick beschwingt erreichten wir – selbstverständlich erst im Dunkeln – ein mit Springbreakern gut gefülltes Shelter, die uns unsere Bedenken allerdings vollkommen nahmen; teilweise konnten sie uns sogar auf deutsch willkommen heißen.
Gut, dass wir mit der Mördertour nach Fontana einen Tag wettgemacht haben, denn sonst hätten wir uns einen weiteren mit nassen Klamotten durch die Berge schleppen müssen. So blieben uns lediglich eineinhalb Tage, die mit Blick auf das zum Elysium verklärten Gatlinburg schnell vergingen. Die Ankunft am Newfound Gap, wo der Trail das erste und einzige Mal in den Smokies eine Straße kreuzt, stellte sich relativ unproblematisch dar. Kaum hatten wir einen Fuß auf den Asphalt gesetzt, versprachen uns auch schon zwei Mittfünfzigerinnen, uns in einer halben Stunde eine Mitfahrgelegenheit zu bieten. Froh, endlich der Kälte und Nässe entfliehen zu können, nahmen wir das Angebot dankend an. Auch wenn uns an diesem Tag lediglich fünf Meilen in den Knochen steckten, wussten sie noch vom vorhergehenden Tag die Besteigung des höchsten Punktes überhaupt auf dem AT. Leider verwehrte uns das Wetter jedoch jede Aussicht, eine Belohnung gönnten wir uns mit einem portablen Becher Nutella trotzdem.
Ein anstrengender Wandertag braucht stets eine Motivation. Und knurrt gleichzeitig auch noch der Magen, brennen die Füße oder frieren die Finger, motiviert ein warmes Motelzimmer und ein saftiger Baconburger ungemein. Gatlinburg war uns schon als offener Vergnügungspark mit befahrenen Straßen in Erinnerung geblieben und daran hat sich in den fünf Jahren auch nicht viel geändert. Seit Abflug hatten wir eigentlich aus nostalgischen Gründen einen Besuch des Gatlinburger Wendy’s eingeplant, eine Filiale der Kette war allerdings nicht aufzufinden. Satt wurden wir letztendlich doch noch, wenn auch schon fast zu satt. Nach Tagen der Entbehrung waren unsere Mägen die Menge von einer fetten Pizza nicht gewöhnt und reagierten entsprechend ungehalten. An Kapitulation war nicht zu denken, deshalb entschieden wir uns für einen Dauerbelastungstest mit dem riesigsten All-you-can-eat-Frühstück, welches wir seit vier Wochen auf den Tellern hatten. Unseren Vitaminhaushalt dank vieler frischen Früchte wieder geregelt konnten wir uns endlich der Verlebung von zwei wohlverdienten Zerodays widmen, die wir nur zur Hälfte eingeplant hatten. Das schlechte Wetter führte nämlich zu einer Schließung des Gaps, über welches wir den Trail einst verlassen hatten, weswegen ans Weitergehen kein Gedanke zu verschwenden war.
Hoffentlich normalisiert sich die Lage morgen wieder, sodass wir die Smokies bis Montag hinter uns lassen können.
Hallo Ihr Beiden,
es freut mich, zu lesen, dass ihr dann doch noch recht gut voran gekommen seid.
Ich drücke Euch die Daumen, dass sich das Wetter schnell bessert.
Weiterhin Hals- und Beinbruch!
Viele Grüße
Olaf